Saisoneröffnungsfahrt 2025 Cuxhaven DGzRS

Der RT 28 besucht Anneliese Kramer

Als ich auf dem Februar-RT-Abend den Anwesenden eröffnete, daß ich eine Tagestour geplant habe und wir Anneliese Kramer besuchen fahren, blickte ich in fragende Gesichter. „Will er mit uns zum Kaffeesieren zu seiner Tante oder ist das eine 107-Restauratorin, die wir noch nicht kennen?“ – ich konnte die Gedanken quasi hören. Erhellung  -und bestimmt auch Erleichterung-  nach meiner Erläuterung, daß es nach Cuxhaven gehen soll und wir dort den DGzRS-Seenotrettungskreuzer „Anneliese Kramer“ besichtigen werden.

Die Anmeldeliste, aufgrund der begrenzten Kapazitäten an Bord des Kreuzers leider auf 24 Personen beschränkt, war schnell voll und so machten wir uns am 12. April bei frischen Temperaturen aber strahlendem Sonnenschein auf den Weg. Von Bremen aus führte die Strecke über Landstraßen durch den Westen des Nassen Dreiecks (das ist die Landschaft zwischen Weser und Elbe) vorbei an Bauernhöfen und Dörfern, die teilweise hübsch österlich geschmückt waren, bis zum Zwischenstopp in Bad Bederkesa. Dort wurden bei einem kurzen Spaziergang zur Burg oder zum See Erinnerungen an vergangene Touren aufgefrischt („hier haben wir mal ritterlich getafelt“). Weiter ging es durch Alleen mit noch kahlen Bäumen, die in Gemeinschaftsproduktion mit der Sonne ein beeindruckendes Licht-und-Schattenspiel auf die Straße zauberten, entlang an mit gelben und weißen Narzissen besprenkelten Grünstreifen unter tieffliegenden Störchen hindurch zum Ziel.

Nach einem stärkenden Mittagessen -natürlich überwiegend Fisch- konnten wir dank einer Sondergenehmigung unsere SL-Flotte auf dem Kai direkt vor dem Liegeplatz der „Anneliese Kramer“ parken. Die vier Mann starke Besatzung um Vormann (Kapitän) Holger Wolpers empfing uns gut gelaunt und nach der Aufteilung in zwei Gruppen ging es sowohl an Deck als auch im Fahrstand (Brücke) mit Erklärungen und Fragen sehr lebhaft zu. Von ernsthaften Fragen und Antworten über Anekdoten mit prominenten Geretteten bis zu Seemannsgarn („bei Feuerbekämpfung schleppen wir einen Frischwasser-Ponton mit“) war alles dabei und so erfuhren wir sehr viel Wissenswertes über die DGzRS (Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger) allgemein bis zur personellen und technischen Ausstattung dieses Seenotkreuzers. Hier nur ein paar Daten:

Die DGzRS finanziert sich seit ihrer Gründung 1865 bis heute ausschließlich über Spenden, Mitgliedsbeiträge und Erbschaften. Neben den hauptamtlichen Besatzungen auf den Seenotkreuzern sind überwiegend freiwillige Seenotretter auf Seenotrettungsbooten rund um die Uhr in Einsatzbereitschaft um Schiffbrüchigen, Kranken und Verletzten aber auch Wattwanderern, Surfern und andern auf See in Not geratenen Personen zu helfen. Die Spannweite der Einsätze ist weit und reicht vom Freischleppen aufgelaufener Jachten über technische Hilfe bei Maschinenausfall, Krankentransport von Kreuzfahrtschiffpassagieren, Feuer an Bord, Schiffskollision bis hin zur Suche nach über Bord Gegangenen – und das nicht nur bei schönem Wetter sondern auch und gerade in schwerer See, getreu dem Motto: Wir fahren raus, wenn andere reinkommen.

Die „Anneliese Kramer“ besteht aus seewasserfestem Aluminium, wurde 2017 gebaut und liegt mit vier Mann Stammbesatzung in ständiger Einsatzbereitschaft in Cuxhaven. Jede Crew hat 14 Tage Dienst, dann 14 Tage frei. Wenn es der Einsatz erfordert, kann zusätzlich medizinisches Personal an Bord genommen werden.

Obwohl das Schiff mit 28 Metern Länge die drittgrößte Einheit der Flotte ist, waren wir erstaunt wie beengt es teilweise an Bord zugeht. Viel Raum nehmen die Arbeitsplätze auf der Brücke, die Krankenliege samt medizinischer Geräte und an Deck das Tochterboot ein, dann bleibt nur noch wenig Platz für Privatsphäre. Die Kombüse (Küche) ist so klein, da staunten vorwiegend die Damen, daß dort täglich einer der vier gestandenen Männer für sich und seine Kollegen kocht. Auch im Maschinenraum, da staunten insbesondere die Männer, war außer für die zwei MTU 16-Zylinder-Motoren mit je 1.958 PS und je drei Kompressoren nicht viel Platz. Sowohl die Kombüse als auch der Maschinenraum waren blitzblank!    

Nachdem wir die kleinste aber sehr wichtige Einheit der Flotte (das Sammelschiffchen) gefüttert und ein gemeinsames Foto mit der Mannschaft gemacht hatten, wollten sie zum Abschluß natürlich noch unsere Autos angucken. Neben Bewunderung für die schöne rote Farbe („fast identisch mit meinem Overall“) gab es Verwunderung über die Zylinderanzahl („nur sechs oder acht? Wir haben 32“) und den geringen Verbrauch. Zugegeben, 12 bis 16 Liter auf 100 Kilometer ist wirklich nicht viel im Vergleich zu 170 Litern pro Stunde, die die Maschinen der „Anneliese Kramer“ nehmen.  

Wer noch mehr über die DGzRS und deren Arbeit erfahren will, dem sei die NDR-Serie „Die Seenotretter“ empfohlen – zu finden in der NDR- / ARD-Mediathek. Auch die „Anneliese Kramer“ samt Besatzung ist dort mehrfach zu sehen.

Zum Schluß bleibt noch die Frage „wer ist Anneliese Kramer?“

Anneliese Kramer war eine nicht unvermögende Dame aus dem Binnenland, die die Küste und die See liebte. In ihrem Testament hatte sie verfügt, daß ihr Nachlaß der DGzRS zu Gute kommen soll. Bei den Seenotrettern gibt es die Tradition, daß ein Boot oder Schiff nach jemandem benannt wird, wenn er über die Hälfte der Baukosten finanziert. So wurde die „Anneliese Kramer“ das erste Schiff in der DGzRS-Flotte mit einem weiblichen Namen.

Ein großes, herzliches Dankeschön an die Crew der „Anneliese Kramer“, die uns kurzweilig und engagiert viel Interessantes und Wissenswertes über die Seenotretter vermittelt haben, und an meine Schwester Wiebke Gerdts, die mir bei der Planung, Organisation und Durchführung der Tour sehr hilfreich zur Seite gestanden hat!

Carsten Intemann, RT 28