RT 37 Göttingen: das erste Halbjahr 2023 im Überblick

Die UNESCO-Welterbe-Tour

Ende April starteten wir unsere Ausfahrt zum ehemaligen Zisterzienserkloster Walkenried. Die Luft war noch kalt und die SL´s blieben geschlossen. Die Strecke führte von Göttingen aus zunächst ins südliche Eichsfeld, wo wir ständig zwischen Südniedersachsen und dem nordwestlichen Thüringen wechselten. Diese kurvenreiche und sanft gebirgige Strecke war ein Tummelplatz für unsere schönen 107er. Nach fast zwei Stunden Fahrt kamen wir ans Ziel. Dort wurde es erst in den alten Gemäuern so richtig schattig. Es schien unvorstellbar, wie die damaligen Klosterbrüder diese Kälte unter ihrer kratzigen Kutte ausgehalten haben. Es gab zwar eine Wärmestube, die durfte aber nur eine Stunde am Tag besucht werden. Ungeachtet dieser frostigen Ersteindrücke war dann doch überwältigend der Kreuzgang und die Reste des Kirchenschiffs. Geführt von einer kompetenten Museumsangestellten bekamen wir tiefere Einblicke in die Geschichte der Zisterzienser, ihrem Aufstieg und Fall. Über ganz Europa hatten sie sich verbreitet und mit dem Geld der adeligen Mönche und der Gratis-Arbeitskraft der anderen Novizen ein kleines Imperium aufgebaut. Von diesem Reichtum zeugen die Mauern und Anlagen dieses Klosters bis heute. Nach ausführlicher Begehung auch der Gemächer des Abts fuhren wir weiter in ein verträumtes Café, wo selbstgemache Torten und frischer Kuchen auf uns warteten. Die individuelle Rückfahrt bot sicher kaum Anlass, sich Gedanken darüber zu machen, ob man sich für ein Leben in klösterlicher Stille dauerhaft bewerben wolle.

Unsere zweite Ausfahrt im ersten Halbjahr hatte die FAGUS-Werke zum Ziel. Wir trafen uns am PS.Speicher in Einbeck (wo gerade auch der MB-Club der 124 sein Jahrestreffen abhielt) und folgten verlassenen Kreisstraßen bei sonnigstem Wetter gen Norden. Dach auf und Strecke und Leben genießen! Vermeintlich wenig zu bieten hat die Gegend zwischen Harz und Weserbergland. Das Leinetal hat dann doch schöne Ecken, die wir weidlich nutzten, um unsere 107er kühlen Fahrtwind schnuppern zu lassen. Schließlich kamen wir in Alfeld an, wo bereits vor dem ersten Weltkrieg der berühmte (und damals völlig unbekannte) Walter Gropius vom Unternehmer Carl Benscheidt den Auftrag bekam, ein funktionales Fabrikgebäude zu errichten. Dass die beiden zueinander fanden, war eher ein Zufall, aber der sozial eingestellte Unternehmer fand Gefallen an den Plänen des jungen Architekten, der später einmal der Leiter des Bauhauses in Dessau wurde, vor den Nazis floh und in Amerika als gefeierter Stardesigner seine Spuren hinterließ. Die Führung durch das Hauptgebäude, in dem bis heute (Schuh-)Leisten für die ganze Welt hergestellt werden, verdeutlichte die besondere Sicht auf die Architekt von Gropius, die zum Credo und zur Bewegung einer ganzer Schar von Künstlern und Handwerkern in den zwanziger Jahren wurde. Selbst der Autor, ein bekennender Bauhaus-Enthusiast, konnte mit vielem neuen Wissen die FAGUS Werke verlassen.

Den Abschluss fand dieser Nachmittag hoch über Alfeld, wo wir bei schönstem Wetter in eine Hochzeit platzten und unsere Autos vielbestaunt umringt wurden. Was für ein grandioser Schlusspunkt für diesen Nachmittag, wo uns noch lange die Blasmusik nachhalte. 

 Dr. Axel Görs